Referendariat abbrechen: „Hilfe, ich will keine Lehrerin / kein Lehrer werden!“
Plötzlich sind die Zweifel da: „Will ich wirklich Lehrer oder Lehrerin werden?“ Wir haben alles Wissenswerte zum Abbruch des Referendariats zusammengestellt. Denn die Entscheidung sollte wohlüberlegt sein.
Vielleicht ist es der Praxisschock nach dem Studium oder die Überlastung bei zu wenig Erfahrung und zu viel Druck. Schließlich werden bereits Referendarinnen und Referendare nicht selten als vollwertige Arbeitskräfte eingesetzt. Da fühlt man sich schnell allein gelassen und sucht Unterstützung. Oder es fehlt das „dicke Fell“. Man hat Schwierigkeiten, sich den Respekt der erfahrenen Lehrerinnen und Lehrer oder der Schülerschaft zu verschaffen. Ständig ist man dem Dauerstress durch einen hohen Lärmpegel und die fehlenden Rückzugsmöglichkeiten in der Schule ausgesetzt. Und plötzlich werden Zweifel laut: „Will ich das wirklich mein Leben lang machen?“
Erfahrungen einer ehemaligen Referendarin
„Am Anfang fühlte es sich an, als ob mich jemand in den Ozean schubst und sagt: ‚Schwimm! Schwimm immer weiter!‘ Und das, nachdem ich in einem Planschbecken trainiert hatte. In meiner zweiten Schulwoche musste ich einen Satz Deutscharbeiten korrigieren, Klausuren in Abi-Klassen planen, circa 100 Namen auswendig lernen, eine Halbjahresplanung für jede Klasse erstellen, mir überlegen, nach welchen Kriterien man mündliche Noten gibt, wie man ‚nicht zu streng, aber auch nicht zu inkonsequent ist‘, was man macht, wenn jemand die Hausaufgaben vergessen hat oder sich respektlos verhält und wie die Schülerinnen und Schüler Hefter führen sollen. Nebenbei musste ich mich in drei Seminaren und einer völlig fremden Schule einleben. Und wenn man an einer ‚harten‘ ISS landet, hat man noch ganz andere ‚Probleme‘.
Ich hatte eine Ahnung, ob irgendwann eine Insel auftaucht, auf der ich verschnaufen kann. Das hat mich extrem belastet. Man würde erwarten, dass es Support durch Lehrerinnen und Lehrer sowie die Seminare gibt. Leider war die Unterstützung ungenügend und viele Kollegen und Kolleginnen selbst überlastet. Ich verstehe nicht, warum junge, motivierte Menschen so verheizt werden.“
Das sind nur ein paar Gründe, die einige Referendare und Referendarinnen mit dem Gedanken spielen lassen, ihr Referendariat abzubrechen.
An wen wende ich mich, wenn ich mit dem Gedanken spiele, das Referendariat abzubrechen?
Bevor man diese wichtige Entscheidung trifft, sollte man sich umfassend beraten und über Alternativen zum Abbruch aufklären lassen: Hier sind die Personalvertretung des jeweiligen Bundeslandes oder die GEW die richtigen Ansprechpartnerinnen und -partner. Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit, sich an den schulpsychologischen Dienst zu wenden. Hat man ein gutes Verhältnis zur Hauptseminarleitung und zu den Mentorinnen bzw. Mentoren, sollte man diese um ein Gespräch bitten. Vielleicht gibt es auch andere Referendarinnen und Referendare, die dieselben Zweifel quälen. Hier ist ein Austausch empfehlenswert. Außerdem ist es möglich, mit einem professionellen Supervisor die Situation zu analysieren.
Erfahrungen einer ehemaligen Referendarin
„Man sollte auch die ehrliche Frage an sich selbst richten: Möchte ich abbrechen, weil das Referendariat selbst furchtbar ist? Oder möchte ich abbrechen, weil ich daran zweifle, dass ich später dieser Arbeit nachgehen möchte?“
Welche Alternative zum Abbruch gibt es?
Während des ersten Semesters des Referendariats gibt es meistens die Möglichkeit, einen Antrag auf Schul- oder Seminarwechsel zu stellen. Das sollte man mit der Hauptseminarleitung sowie mit der Schulleitung besprechen. Sich im Referendariat eine Auszeit zu nehmen, ist meist nur in Form der Elternzeit oder durch Sonderurlaub zur Kindererziehung, Pflege von Angehörigen oder eigener Schwerbehinderung möglich. Wie das in den einzelnen Bundesländern bzw. Bezirken geregelt ist, kann in der jeweiligen Verordnung über den Vorbereitungsdienst und die Staatsprüfung für Lehrämter (VSLVO) nachgelesen werden.
Und wenn ich mich doch für einen Abbruch entscheide?
Ist die Entscheidung für einen Abbruch gefallen, kann jederzeit ein Antrag auf Entlassung aus dem Vorbereitungsdienst gestellt werden. Das Formblatt ist im Studienseminar zu finden. Nachdem man die Bestätigung von der Personalstelle erhalten hat, kann man noch innerhalb der nächsten beiden Wochen den Austritt widerrufen. Liegen die offiziellen Entlassungsdokumente vor, ist kein Widerruf mehr möglich. Eine Wiederaufnahme des Referendariats ist meist möglich, wenn die Prüfungsphase beim Abbruch noch nicht begonnen hatte. Ob eine Wiederaufnahme im jeweiligen Bundesland möglich ist, sollte man vor einem Abbruch in Erfahrung bringen.
Erfahrungen einer ehemaligen Referendarin
„Ein Abbruch hat – zumindest in Berlin – nicht zur Folge, dass man nie wieder ins Referendariat gehen kann. Alle erbrachten Zeiten und Leistungen werden angerechnet. So kann man sich erneut bewerben. Allerdings nur, wenn man sich noch nicht im Prüfungszeitraum befindet.“
Hab ich nach einem Abbruch Anspruch auf ALG I?
Nein! Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld I besteht nur, wenn innerhalb der letzten zwei Jahre mindestens 12 Monate sozialversicherungspflichtig gearbeitet wurde. Darüber hinaus werden im Beamtenverhältnis auf Widerruf – also im Referendariat – keine Beiträge zur Arbeitslosenversicherung geleistet. So bleibt nur die Option auf Arbeitslosengeld II (Hartz IV). Da jedoch durch einen Antrag auf Entlassung die Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt wurde, kann auch dieses abgelehnt werden.
Kann ich in eine gesetzliche Krankenkasse wechseln?
Die gesetzlichen Krankenkassen sind nicht verpflichtet, Privatpatienten aufzunehmen. Bezieht man jedoch Arbeitslosengeld II, wird im Rahmen einer Pflichtversicherung ein Wechsel zur gesetzlichen Krankenkasse vollzogen. Ein problemloser Wechsel ist dann möglich, wenn man nach dem Abbruch des Referendariats in ein Anstellungsverhältnis wechselt. In diesen Belangen sollte man sich individuell beraten lassen.
Welche Chancen habe ich mit einem abgebrochenen Referendariat auf dem Arbeitsmarkt?
Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden. Es kommt immer darauf an, ob auch Berufserfahrungen außerhalb der Schule gesammelt wurde, z. B. in Nebenjobs oder Praktika. Ausschlaggebend für einen Quereinstieg in ein anderes Berufsfeld sind natürlich auch die studierten Fächer. Zwar wird das Lehramtsstudium oft als Einbahnstraße gesehen. Da sich aber die Schulen, die Bildung und das Lernen gegenwärtig im Wandel befinden, ist es auch außerhalb der Schule möglich, an der Gestaltung mitzuwirken.
Erfahrungen einer ehemaligen Referendarin
„Grundsätzlich gilt: Mutig sein, sich nach Alternativen umschauen, ein Praktikum machen und überlegen, ob man noch etwas ‚Kleineres ranstudieren‘ oder eine Weiterbildung machen kann. Es bringt nichts, sein Leben lang in einem Job zu arbeiten, der einen unglücklich macht. Man sollte also ganz nach dem Motto vorgehen: ‚Ich kann, weil ich will, was ich muss‘. Es geht darum, das zu finden, was man wirklich will – dann sind ungeahnte Kräfte mobilisierbar. Man muss sich auf die Suche nach den eigenen beruflichen Visionen machen – vielleicht auch unterstützt durch ein Coaching.“
Fazit: Das Abbrechen des Referendariats muss gut durchdacht sein. Auch sollte man sich zuvor mit den finanziellen und versicherungstechnischen Sachverhalten sowie mit der beruflichen Zukunft beschäftigen.
Titelbild: © Adam Gregor/shutterstock.com
Weitere Verwandte Artikel
Your comment
Danke für die motivierenden Kommentare!
An alle Unsicheren da draussen!
Nach langem Ringen habe ich mich dazu entschlossen das Referendariat abzubrechen.
Es ist doch meistens so: ihr wollt etwas ganz anderes, habt aber Angst es Angriff zu nehmen. Das war bei mir nicht anders. Auch wenn ihr vielleicht noch gar nicht genau wisst was das ist.
Und ich sage: trau dich! Du lebst nur einmal. Und wenn du jeden Tag vor ner Klasse stehst und deine Maske aufsetzen musst, dann bist du nicht du selbst! Ich glaube es ist in diesem Beruf vor allem so, weil der Mensch einfach nicht dafür geschaffen ist, ständig Aufsicht und Ansprechpartner für bis zu 30 Personen gleichzeitig zu sein. Hinzu kommt Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, Aufsetzen von Klassenarbeiten, das Kollegium (das meistens nur rumjammert –> selbst Schuld), Pausenaufsichten, Konferenzen, Ausflüge, Projektwochen, etc. etc. etc…
Versteht mich nicht falsch. Ich habe größten Respekt vor den Menschen die diesen Job machen wollen oder gerne machen. Was ich allerdings festgestellt habe während meines Studiums und der Referendariatszeit ist, dass die meisten diesen Beruf nur studieren oder ausüben weil sie sich Vorteile und Sicherheit davon versprechen, also momentan hohe Nachfrage nach Lehrkräften, Verbeamtung, Pensionierung, kurze Arbeitszeiten.
Doch was ist ein Vorteil und Sicherheit?
Ich kann dir schonmal sagen, dass das für mich mittlerweile keine Bedeutung mehr hat. Ich konnte bisher in keinen Ferien entspannen, weil ich immer im Hinterkopf hatte, dass ich nachher wieder in die Schule gehen muss. Ja Verbeamtung ist schön, DANN wenn du diesen Beruf dein GANZES LEBEN lang machen willst. Willst du das? Ansonsten bringt auch die Verbeamtung genausoviel Nach- wie Vorteile. Man kann nicht mal schnell den Arbeitsplatz oder Arbeitsort wechseln, man ist Angestellter vom Staat, muss nach deren Pfeife tanzen, etc…
Und was ist denn wirklich Sicherheit wenn du nach ein paar Jahren krank wirst, z.B. ein Magengeschwür, Depressionen, Burn-Out oder noch schlimmeres. Dann bringt dir all diese Sicherheit gar nichts!!!
Und hinzu kommt, dass man immer in Urlaub fahren muss wenn Hauptsaison ist, man kann sich nicht einfach mal frei nehmen.
Und nicht zu vergessen den Aufwand den du zuhause betreiben musst zur Vor-und Nachbereitung. Und glaub mir, die Schülerinnen und Schüler werden nicht einfacher und die Arbeit wird auch nicht weniger. Der Traum vom faulen/entspannten Lehrer kannst du eventuell realisieren. Aber willst du das? Wenn du jemand bist der 70% seines Tages mit etwas verbringen kann was ihn nicht erfüllt, interessiert oder Spaß macht, dann kannst du schon einen Beruf ausüben der nur so halb dein Ding ist. Wenn du allerdings tief in dir drin das Gefühl spürst „nein das ist nicht das was ich wollte“ dann BRICH ab! Und alles wird schon werden, du findest neue Möglichkeiten jeden Tag! Du musst nur hinschauen, verschließe dich nicht, lass die Angst beiseite, weil wie ich dir oben erklärt habe, es keine Sicherheit und schon gar keinen Grund gibt Angst zu haben. Wir alle müssen arbeiten, warum dann nicht etwas was uns erfüllt und worin wir aufblühen?
Was mich am allermeisten erschreckt hat (und ich gehörte dazu), war das ca. 80% der Leute mit denen ich studiert habe und mit denen ich arbeite, den Beruf nur wegen diesen vermeintlichen Vorteilen ausüben oder studieren. Respekt an die restlichen 20 % die den Job aus Leidenschaft machen. Doch habe ich auch irgendwann gemerkt, dass von diesen 20% die Hälfte es auch aus diesen Gründen tun, es sich selber aber nicht eingestehen wollen, wegen Angst, Unsicherheit oder einfach nur Blindheit oder Bequemlichkeit.
Resümee: es würde von Natur aus fast keiner diesen Beruf wählen. Und es ist ja auch nicht verwunderlich dass dieser Beruf so viele „Vorteile“ mit sich bringt, sonst würden ihn ja nur die wenigsten machen wollen. Das ist kein Zufall. Ich sag es dir nochmal: dieser Job ist sau-anstrengend! Und wenn du kein Bock darauf hast, dann ist es erst recht auslaugend. Dir geht Energie an allen Seiten verloren, willst du das? Für diese vermeintliche Sicherheit?
Willst du nicht dein Potential ausschöpfen und das tun was dir Freude bereitet? Also soviel ich weiß, leben wir nur einmal. Und ich habe den Entschluss gefasst, dass mein Leben so nicht ablaufen soll. Egal was kommt.
Triff keine übereiligen Schlüsse, ausser es ist wirklich akut. Mach Praktika, schau in andere Welten herein, lass dich inspirieren und vor allem nimm dir Zeit für dich!
Schalte mal alle Geräte um dich ab, geh in die Natur, in die Stille und horche in dich hinein. Was gibt dir Energie, Kraft und Freude? Was bringt deine Augen zum Glänzen?
Noch zu guter Letzt: ich will keine Lehrer hier mobben – und nochmals meinen größten Respekt vor eurer Aufgabe. Für mich funktioniert dieses System Schule aber prinzipiell in seiner Gesamtheit nicht. Für alle die nicht wissen auf was sie sich einlassen, um den Beruf nochmals zu beschreiben: es ist wie eine Art Eventmanagement gepaart mit Erzieher (Kindergärtner). Ich habe auf einer sehr angenehmen Realschule mit vergleichsweise sehr netten Schülerinnen und Schülern gearbeitet und auch mein Kollegium war sehr nett. Es hat aber trotzdem nicht gepasst. Es stimmt schon was man sagt, also dass der Job allein nicht für Zufriedenheit verantwortlich ist und es hängt auch sehr viel von den Arbeitskollegen ab. Aber es ist eben doch ein nicht zu unterschätzender Teil von deinem Alltag und von deinem LEBEN, daher lass dich nicht verunsichern und dich in etwas hineinzwingen, was für DICH einfach nicht passt. Ich möchte dir keine Illusionen machen, natürlich ist Arbeit in jedem Beruf mit Anstrengung verbunden und es gibt stressige Phasen. Man muss aber grundsätzlich unterscheiden ob es für einen das Richtige ist, ob es passt, ob man in einen Flow kommt.
Konfuzius hat anscheinend gesagt: „Arbeite was dir Spaß macht – und du musst keinen Tag mehr in deinem Leben arbeiten“
Kennst du das, wen du an etwas arbeitest und die Zeit vergeht und du merkst es gar nicht? So sollte es sein. Hast du dieses Gefühl sogar verloren? Dann ist heute der Tag wo du es dir zurückholst. Und zwar nicht mit dem Vorschlaghammer, sondern mit Ruhe, Neugierde und Geduld.
Also stell dir einfach die Frage: bin ich das? Will ich das? Hab ich grad nur einen Hänger oder ist einfach nicht das was deine Fähigkeiten zum blühen und wachsen bringt? Möchte ich nur mitschwimmen oder möchte ich mein eigenes Gewässer finden?
Ich wünsche dir das allerbeste mein Freund. Denk dran, du bist nie allein! Und sobald du dich entscheidest für einen Neuanfang, dann siehst du Möglichkeiten und Türen, die vorhin gar nicht da waren. Egal welches Alter, welcher Familienstand, welches Geschlecht. Hilf diese Welt positiv zu verändern anstatt nur ein Zahnrädchen zu sein in einer Maschine zu der du gar nicht gehören willst. Du schaffst das 🙂
Ich möchte mit einem Gleichnis enden, dass dir auf deinem Weg helfen soll:
Pflanze heute einen Samen. Zu anfangs wird der Samen ein kleines dürres Pflänzchen sein, doch in ein paar Jahren wird diese Pflänzchen immer größer. Schließlich wird es zur großen Pflanze und irgendwann zum Baum mit festen und tiefen Wurzeln und dicker Rinde.
Wenn du DEINEN Samen pflanzt, dann wird sich das für dich vielleicht nicht gleich heute, aber dafür für den Rest deines Lebens auszahlen.
Ich wünsche dir alles gute, egal ob du Lehrer oder irgendetwas anderes wirst. Hauptsache: bleib dir selber treu. Von den Anderen gibt es schon genug 😉
Danke für diesen schönen Artikel. Vor allem der Satz „Ich kann, weil ich will, was ich muss.“ gefällt mir sehr gut, denn er beschreibt genau worum es geht.
Ich habe mich jeden Tag im Ref in die Schule gezwungen, hasste jeden einzigen Tag, weil ich mich verstellen musste. Ich konnte weder die Zeit im Lehrerzimmer, noch vor der Klasse entspannt durchleben, weil ich nur unter Strom stand. Zuhause wollte ich keinen unterricht vorbereiten, es widerstrebte mir, kam mir sinnlos vor.
Und trotzdem: Ich habe das Ref beendet und danach eine Stelle in der freien Wirtschaft gefunden, die mich sehr erfüllt.
Mein Rat an alle, die vor dem Abbruch stehen:
– Wenn du weißt, dass du gerne unterrichtest, nur das Ref macht dich einfach nur fertig, halte durch!
– Wenn dir allerdings klar ist, dass du nicht als Lehrer arbeiten willst musst du abwägen: Brich ab wenn es dich sonst zerstört, ansonsten halte durch wenn du kannst und es evtl bald vorbei ist. (Einfach nur für deinen Lebenslauf ;))
Es gibt ein Leben nach dem Ref!