Tag der offenen Tür – von misslungenen Werbemaßnahmen

Am Tag der offenen Tür versucht jede Schule, sich von ihrer besten Seite zu zeigen. An der Schule von Maximilian Lämpel ging das einigermaßen schief.

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Das Aushängeschild: Anmeldezahlen

In Berlin gibt es über neunzig Gymnasien. Deshalb tobt jedes Jahr ein Kampf um die Grundschülerinnen und Grundschüler. Die Anmeldezahlen werden häufig als ein Maßstab für das Niveau einer jeden Schule gelesen. Um potenziellen Nachwuchs anzulocken, eignet sich der Tag der offenen Tür ausgezeichnet. Jedes Jahr wird er akribisch vorbereitet und ganze Potemkinsche Dörfer erschaffen.
Dieses Jahr wurde uns eingeschärft, nicht nur mit Nachdruck für unsere Schule zu werben, sondern auch auf die vermeintlichen Schwächen der „Konkurrenz-Schulen“ hinzuweisen: Klar, bisschen unsportlich, aber wir müssten die Anmeldezahlen im Hinterkopf haben. Es gehe um unsere Zukunft!

Marketing ist alles – auch an Schulen!

Unser stellvertretender Schulleiter, der vor einem Jahr auf einer Fortbildung lauter Angeber-Vokabular gelernt hatte, war dieses Jahr auf die Idee gekommen, im Schulgebäude „pfiffige Werbesprüche“ aufzuhängen. Und die gingen so:

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„Hier angemeldet – gut angemeldet!“
„Unsere Schule am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen!“
„Spannung, Spiel und Spaß – durch Bildung! Alles an dieser Schule!“

Außerdem waren alle Räume zuvor aufgeräumt und gereinigt worden, einige sogar neu gestrichen. Jedes Fach präsentierte sich mit seinen mutmaßlichen Stärken: In Kunst- und Bio-Räumen wurden Schülerkunstwerke bzw. Modelle ausgestellt. Also Dinge, die Gymnasialaura verströmen und für Besucherinnen und Besucher ganz interessant sein könnten. In den Räumen der Naturwissenschaften wurden Experimente mit Strom oder Dampf gezeigt und in den Räumen der Fremdsprachen hingen Plakate von fiktiven Reisen nach Paris, Madrid und London. Dazu gab es Crêpes, Chorizo und irgendwas Englisches (Pampe, konnte man nicht genau erkennen). Die Sportlerinnen und Sportler zeigten an Reck und Barren Muskeln und Schweiß. Und die Musikerinnen und Musiker stellten stolz alle Schul-Instrumente zur Schau; eine Schülerin spielte dazu ausdauernd und wirklich schön Klavier.

Der Reinfall am Eingang

Wie uns die Schulleitung mehrfach klar gemacht hatte, war die Eingangssituation entscheidend: Welchen Eindruck verströmt das Gebäude? Wie werden die Besucher empfangen? Und wie finden sie sich zurecht? Fridolin und Luise, zwei aufgeweckte Kinder aus der 7c, waren ausgewählt worden, am Eingang alle Besucher, meist Eltern mit ihren Grundschulkindern, zu empfangen und ihnen sehr freundlich den Weg zu erklären: „Herzlich willkommen! Zu den Kunsträumen dort entlang, Aula hier, Fachräume da!“ Leider wurde erst nach über einer Stunde bemerkt, dass Luise nicht gekommen war. Und dass Fridolin seiner Aufgabe kaum nachkam. Meistens war er einfach weg. Erst ein paar Tage später erklärte er mit Schamesröte im Gesicht, sich mit Durchfall rumgeschlagen zu haben. In seiner Not habe er sich nicht um Ersatz kümmern können und die meiste Zeit woanders verbringen müssen.

Schülerstreiche on top

Ging also nicht so gut los für unsere Schule. Und dann wurde es noch unerfreulicher. Denn nicht nur Fridolin und Luise sollten die Eltern leiten, auch Schilder waren eigens für diesen Tag angefertigt worden. Erklärungstexte mit Pfeilen und so. Gute Idee! Aber niemand hatte mit den Scherzkeksen gerechnet, die alle Schilder verdrehten, sodass sie zeitweise in die falsche Richtung zeigten. Man kann nun mit den Augen rollen – oder schmunzeln. Aber ich bin immer noch ziemlich unentspannt. Mich plagt mein Schuldgefühl. Ich hege nämlich den leisen Verdacht, dass ich es war, der die Übeltäter dazu inspiriert hatte. Am Vortag hatte ich mit meiner 9b über Schülerstreiche gesprochen. Und weil nichts von den Pubertieren kam, hatte ich aus meiner Vergangenheit erzählt. Das kam ganz gut an. Daher darf ich mich aber nicht wundern, dass Schilder umgedreht wurden und an sämtlichen Toilettentüren Zettel mit der Aufschrift „Defekt!“ klebten.
Als der Schulleiter mit riesigen Schweißflecken unter den Armen an mir vorbeistürmte und was von „Wurm drin“ und „Sabotage“ murmelte, schnaufte ich, Zustimmung signalisierend, und versicherte ihm, dass ich der Sache auf den Grund gehen würde. Tat ich nicht, bin doch nicht blöd.

Blamage auf den Brettern, die die Welt bedeuten

Vor der Rede des Schulleiters in der Aula sollte die Theater-AG einige Szenen ihres Stückes aus dem vergangenen Jahr spielen. Blöderweise hatten seitdem vier Schüler die AG verlassen, zwei weitere mussten beim Getränkestand und einer beim Hausmeister helfen. Weil der AG-Leiter, Kollege C., in der ihm eigenen Realitätsferne vom Wesen der Improvisation schwärmte und diese als Urkraft der Theaterkunst beschwor, blieb es bei der alten Inszenierung, sodass nun also fünf von ursprünglich zwölf Schülerinnen und Schülern auf der Bühne standen. Die Hoffnung, nun würde etwas neues, außerordentlich Kreatives entstehen, erwies sich als Trugschluss. Es müssen sich seltsame Szenen auf der Bühne abgespielt haben. „Voll peinlich“, hieß es aus der 9b, die mir am nächsten Tag erschüttert bis belustigt Bericht erstattete.

Mit Dosenwerfen kriegt man sie alle

Gut, dass manches auch zufriedenstellend lief. Vor allem das Dosenwerfen erfreute sich großer Beliebtheit. Und mit gutem Willen kann man den Organisatorinnen und Organisatoren aus der Schülervertretung Originalität bescheinigen, denn auf jeder Dose klebten Fotos von Lehrern und Lehrerinnen. Hatte entfernungsbedingt kaum jemand bemerkt, also gab es keinen Skandal an dieser Front.
Na, ich bin gespannt, wie die Anmeldezahlen für das kommende Schuljahr aussehen.

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Titelbild: ©A_Lesik /shutterstock.com