Bezahlung: Soll jeder Lehrer das verdienen, was er verdient?
Es ist ein offenes Geheimnis, dass manche Lehrerinnen und Lehrer sehr viel engagierter sind als andere. Warum schlägt sich das eigentlich nicht in der Bezahlung nieder?
Gerechtigkeit
Im Zuge der Bundestagswahl ließ ich meine 10b zum Thema Ungleichheit und Ungerechtigkeit recherchieren. Zwei Aspekte, die von Schülerinnen und Schülern regelmäßig verwechselt oder synonym gebraucht werden. Wir analysierten dann Statistiken zur Lohnentwicklung und Eigentumsverteilung aus den letzten Jahren und schauten uns verschiedene Positionen von Verbänden und Parteien dazu an. Anschließend diskutierte die Klasse und war sich in einem Punkt einig: Ungleiche Löhne im selben Beruf? So was gehe ja wohl gar nicht. Marvin räusperte sich und gab zu bedenken, dass gleiche Bezahlung unter Umständen auch ganz schön ungerecht sein könne. Man solle doch nur mal an Herrn T. denken. Ein Raunen ging durch die Klasse. Moment mal, T. verdient aber doch nicht wirklich soviel wie die anderen Lehrerinnen und Lehrer?
Ball rein, fertig.
Ich habe mit dem Kollegen T. nicht viel zu tun, aber jeder weiß, dass Unterrichten nicht so sein Ding ist. Bisschen blöd, wenn man als Lehrer arbeitet. Im Kollegium ist er dennoch nicht unbeliebt. In sämtlichen Planungsgruppen ist er dabei, er organisiert das Schulfest, den Tag der offenen Tür und weitere Veranstaltungen und sorgt außerdem dafür, dass im Lehrerzimmer immer Kaffee und Milch vorrätig sind. Gut, er bettelt auch ständig, man möge ihm Geld dafür geben. Das nervt, wenn man vormittags keinen Kaffee trinkt, aber das ist eine andere Geschichte. Von diesen Aktivitäten bekommen die Schülerinnen und Schüler naturgemäß nicht viel mit, weshalb sie, logisch, nur seinen Unterricht als Maßstab ihrer Bewertung heranziehen können. Und da scheint das Urteil eindeutig zu sein.
T.s Englischunterricht bestehe demnach einzig und allein darin, dass die Schülerinnen und Schüler im Schulbuch lesen und die Aufgaben machen und vergleichen würden. Ohne ihn. Meistens hole er sich gerade einen Kaffee oder erkläre, er müsse mal kopieren gehen, was insofern interessant sei, als dass er in der 10b noch nie Kopien verteilt habe. Er unterrichte die 10b auch in Sport. Und dort, man ahnt es, sehe es so aus: Ball rein, fertig. Danach müsse er sich kurz einen Kaffee holen oder kopieren.
Nach diesem Gespräch war die Mehrheit der 10b der Meinung, ungleiche Bezahlung könne auch Ausdruck von Gerechtigkeit sein. Vor allem Frau K. müsse mehr verdienen, erklärte Sophia. Die sei so engagiert, sie backe ständig Muffins für ihre Schülerinnen und Schüler. Wenn man allein an die Kosten für die Zutaten denke!
Differenzierung
Ich finde es völlig in Ordnung, dass sich einige Lehrkräfte mehr und andere weniger engagieren. Jeder weiß, dass es da ungeheuer große Unterschiede gibt. Mir leuchtet aber nicht ein, warum sich das nicht auch in der Bezahlung widerspiegeln, warum Engagement nicht belohnt werden sollte. Lob und Dank der Schulleitung sind nett, dankbar lächelnde Schülerinnen und Schüler auch. Aber wer für den Job brennt, wer hier seine Berufung sieht, dem sollte das auch entsprechend entlohnt werden. Ein anderes Vergütungssystem würde im Idealfall auch dazu führen, dass ehrgeizige Studierende diesen Beruf ergreifen würden und man in Gesprächen über die Motive für das Lehrersein nicht so oft Phrasen wie: „Ich wollte halt was Sicheres“ oder „viele Ferien“ hören würde. Das sind zwar legitime Gründe, sie sind aber der Bildungslandschaft nicht zuträglich, um es vorsichtig zu sagen.
Wenn man sich mit dem Thema beschäftigt, dann stößt man bei Kritikerinnen und Kritikern einer leistungsabhängigen Bezahlung stets auf den Vorwurf, man rede einer Ökonomisierung der Bildung das Wort. Und tatsächlich gibt es Vorschläge, die die Leistung von Lehrerinnen und Lehrern messen und vergüten wollen, indem einzig der Lernzuwachs mithilfe von Vergleichsarbeiten am Anfang und Ende des Schuljahres geprüft werden soll. Dann gehe es nur noch darum, die Kinder mit Wissen vollzustopfen. Empathie, Horizont erweiternde Erfahrungen sammeln, soziales Lernen etc., die Dinge also, die wirklich wichtig sind, blieben auf der Strecke. Ein gutes Argument der Kritikerinnen und Kritiker. Es lässt sich aber leicht entkräften, wenn man auf diese Form des Vergleichs verzichten würde.
Säulenmodell
Ich schlage ein Evaluationsprozedere vor, das aus drei Säulen besteht: Erstens könnte die Schulleitung jede Lehrerin und jeden Lehrer nach den gängigen Kriterien bewerten. Sie kennt ihre Leute und weiß – hoffentlich –, wie diese unterrichten und wie und wo sie sich außerhalb des Unterrichts einbringen. Zweitens könnte man die Schülerinnen und Schüler einbinden. Wenn ich Evaluationsbögen verteile und meinen Unterricht von den Lernenden anonym bewerten lasse, bin ich immer wieder beeindruckt, wie sorgsam sie das machen und wie gut sie meine Stärken und Schwächen erfassen. Drittens könnten externe Fachleute regelmäßig unangekündigt die Schule besuchen und den Unterricht beobachten. Das könnte zum Beispiel jemand von der Schulinspektion zusammen mit einem Fachseminarleiter sein. Vorbild könnte die Bewertung im Referendariat sein. Das lief zu meiner Zeit, ist noch nicht so lange her, ganz ausgezeichnet und professionell, so war zumindest meine Erfahrung.
Schon klar, das ist noch nicht ausgereift. Es gäbe eine Fehlerquote, Objektivität ist schwierig, hoher Aufwand usw. Aber unterm Strich halte ich das für deutlich gerechter als den Status quo.
Feedback aus dem Kollegium
Ich habe gestern mal Kolleginnen und Kollegen gefragt, was sie von einer differenzierten Bezahlung halten. Fast alle reagierten sofort ablehnend und taten so, als ginge es darum, ihnen etwas wegzunehmen. Kann sein, dass man es in diesem Job gewohnt ist, hinter verschlossenen Türen zu wurschteln und jede Beobachtung als Eingriff oder gar Unterstellung empfindet. Der Einzige, der mir zustimmte und erklärte, an dieses Thema müsse man echt mal ran, war ausgerechnet Kollege T.
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Titelbild: ©Yulia Grigoryeva/shutterstock.com
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Die Schüler/Innen mit in die Bewertung einzubeziehen finde ich schwierig. Da gehen die Vorstellungen von dem wie ein Lehrer arbeiten sollte doch weit auseinander. Bei uns würden die Schüler/Innen vor allem die Lehrer positiv bewerten, die gute Noten geben (Großstadt mit massivem Drang/Zwang, Abitur zu machen, um jeden Preis), was aber nicht der Realität entspricht. Ich bin als strenge Lehrerin verschrien, bewerte aber laut Schulleitung, Fachleitung und Kollegium genau richtig.
„Ich habe gestern mal Kolleginnen und Kollegen gefragt, was sie von einer differenzierten Bezahlung halten. Fast alle reagierten sofort ablehnend und taten so, als ginge es darum, ihnen etwas wegzunehmen. Kann sein, dass man es in diesem Job gewohnt ist, hinter verschlossenen Türen zu wurschteln und jede Beobachtung als Eingriff oder gar Unterstellung empfindet. “
Nein, die Ablehnung und der vermutete Grund dahinter ist sehr realistisch, wenn man langjährige Erfahrung mit dem öffentlichen Dienst hat. Selbstverständlich würde so eine Veränderung vom Dienstherren dazu genutzt, die Bezüge insgesamt zu, ich sage mal straffen. In anderen Worten, den Lehrern etwas wegzunehmen.
So wie ich die Diskussion bisher lese, wird Zeiteinsatz und Qualität gleich gestellt. Das muss aber nicht zwangsläufig auch übereinstimmen. Den gerecht klingenden Ansatz auch gerecht umzusetzen ist äußerst aufwändig. In Ansätzen passiert das auch schon.
Was aber überhaupt nicht erwähnt wird ist, dass es zwischen Fachlehrern (ab A10) und Gymnasiallehrern ab (A13) gewaltige Bezahlungsunterschiede gibt, obwohl die Leistung durchaus vergleichbar, also auf gleichem Niveau sein kann. An dieser Schraube sollte man zuallererst mal drehen!
Habe gerade ein bisschen Bundeslandhopping (von HH nach TH, zurück in den Norden nach SH) gemacht.
In allen (diesen) Bundesländern gibt mittlerweile Mitarbeitergespräche bzw. Beurteilungsverfahren ohne oder auch mit Konsequenzen hinsichtlich der Besoldung. Teilweise war eine Höherstufung in der Besoldung (erstaunlicherweise) nicht an Funktionsaufgaben gebunden.
Die Umsetzung von Beurteilungsverfahren differiert dabei enorm, sowohl im Verfahren selbst wie in Transparenz und Kriterien.
Am ungewöhnlichsten ging es dabe dabei in Thüringen zu:
Hatte aus Hamburg kommend ungewöhnlich gefunden, warum dort absolut niemand – inklusive des Personalrats – Kritik in jeglicher Form – außer leise und hinter vorgehaltener Hand – äussert.
Denn – dort entschied einzig und allein die Schulleitung in Person – sozusagen nach gusto – wer eine Gehaltsstufe aufsteigt, bzw. eben auch wer nicht aufsteigt – auch noch nicht nach 38 Jahren Klassenleitung…
Ein ranking des gesamten Schulkreises wurde dann interessanterweise per Behördenbrief veröffentlicht.
In diesem System gab es erstaunlicherweise keine lehrerbezogenen, also für JEDE Schule im Schulkreis gültigen Lehrerbeförderungskriterien. Es gab nur allgemeine Beamtenbeurteilungskriterien (aus den 90ern?) für Beamte ALLER Sparten. Unnötig zu erwähnen, dass diese sehr allgemein gehalten waren und nicht auf Aufgaben, die im Schulbetrieb umzusetzen sind, zugeschnitten waren.
Machtwillkur in Reinform!
Also, vorsicht mit der Sehnsucht nach „Gerechtigkeit“ und „Objektivität“. Diese gibt es in Beurteilungsverfahren, wie jede LehrerIn weiß, einfach nicht – weder bei Schülernoten noch bei Lehrerleistungsbeurteilungen.
Nicht zuletzt, da in unserem Job viele Leistungen „nicht vergleichbar“ oder gar „unsichtbar“ bleiben – ist Engagement im Fach Physik mehr wert als Engagement für eine Sportveranstaltung –
außer LehrerIn spricht immerzu sich selbst lobend in Schulleiter- und Lehrergemeinschaft…
Ein alter Hut dieses Thema und ja: es ärgert einen, wenn man 10 Korrekturklassen, klassenleitung und sonst was macht, und dafür genauso viel bekommt wie der Ball-raus-und fertig-Kollege.
Trotzdem ist der Vorschlag völlig indiskutabel: schön, wenn der Kollege die Berwertung im Referendariat als gerecht empfunden hat – es soll schon Leute gegeben haben, die das DEUTLICH anders empfunden haben. Und die Schüler? Sind leicht zu manipulieren. Oder schlimmer noch: drohen dann nächstens ihrem Lehrer, ihm schlechte Noten zu geben, wenn er dasselbe tut? Übrigens ist die Regelbeförderung Geschichte, d.h. Wer sich engagiert, darf auch auf Beförderung hoffen. Wirkliche Gerechtigkeit wird es in der Lehrerbesoldung – wie so oft!- nie geben. Also wozu sich mit solch unausgegorenen Vorschlägen aufhalten?
In der idealsten aller Welten wäre es so: Jeder verdient, was er „verdient“.
Dienstrechtliche Hürden lassen die Verwirklichung dieses Ansatzes jedoch scheitern. Schon die Einbindung des sozialen Bezuges in fast alle Fächer ist für viele Lehrkräfte eine Überforderung. Richtig ist: Das Ergebnis des Unterrichts muss die Erreichung eines Lernzieles sein, ganz gleich in welchem Fach. Das fordern auch die Eltern. Solange sich aber der pädagogische Ansatz zwischen „Pauken“ und weitgehendem „Laissez-Faire“ bewegt und jede Lehrkraft seine eigene Haltung dazu in den Unterricht einfließen lässt, ist auch eine Beurteilung der Unterrichtsqualität heikel. Letztlich muss, sobald eine Beurteilung laufbahnwirksam werden soll (z.B. frühere oder spätere Beförderung auf die nächste Gehaltsstufe), auch die Justiziabilität gegeben sein. Kaffee kochen für das Lehrerzimmer oder Organisieren des Sportfestes haben mit dem eigentlichen Auftrag nichts zu tun. Eine gute Lehrkraft hat dafür überhaupt keine Zeit. Sie ist durch die enge menschliche Verbindung mit den anvertrauten Schülern, denen sie gerecht werden muss, mehr als ausgelastet.
Sinnvoll halte ich eine Ausdifferenzierung der Bezahlungsmodalitäten, bzw. schlichtweg mehr Geld für das gesamte Bildungssystem UND die Lehrer, für z.B. Zusatzaufgaben und alles, was halt so neben dem Unterricht noch anfällt. Wer sich dann viel engagiert, sollte auch durchaus mehr Geld bekommen.
Das beschriebene Bewertungssystem ist, sorry, ziemlicher Schwachsinn. Es würde für viele Lehrer einfach zusätzlichen Stress bedeuten, sich die ganze Zeit beobachtet zu fühlen und bewertet zu werden, zusätzlich zu dem, was sie ohnehin schon leisten.
Außerdem würde ein solches Modell mit Sicherheit dazu führen, dass die entsprechende Behörde versucht, Gelder einzusparen. Es wäre mit einer solchen Umstellung nichts gewonnen.
Mehr Geld für Bildung – und Belohnungen/Erhöhungen/Anreize für die, die sich sowieso engagieren. Da wäre ich dabei.
Berlin: 32372 Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen.
200 Schultage pro Jahr
2 Besuche pro Lehrkraft und Schuljahr
32372*2/200=323,72 Besuche pro Schultag
Bei 6 Besuchen pro Besucher-Team und Schultag 54 2-Personen-Teams erforderlich. Kategorie A14/A15 bzw. entsprechender Angestellten-Tarif, 65000€ pro Jahr und Person, 3,5 Millionen Euro Kosten pro Jahr für allein für „drittens“.