Wie die Schulleitung, so die Vertretungspläne
Jede Schule wird durch ihre Schulleitung geprägt. Weil es an der Schule von Lehrer Lämpel eine neue stellvertretende Schulleiterin gibt, kündigen sich große Veränderungen an.
Schulleiter aus Bullerbü
Mein Schulleiter ist ein jovialer älterer Herr mit Segelohren, schlohweißem Haar und verschmitzten Augen. Er ist im Kollegium ebenso beliebt wie in der Schüler- und Elternschaft. Der Schule geht es ausgezeichnet und ihr Ruf ist prima. Und wenn über die Gründe gesprochen wird, fällt stets der Name unseres Schulleiters. Sein Engagement und seine Kompetenz sind die Grundlage für das Ansehen der Schule. Mindestens genauso wertvoll ist seine Schulleiter-Aura, die sich aus Güte und Weisheit speist. Klingt pathetisch, ist aber so. Hätte Astrid Lindgren mal über einen Schulleiter geschrieben, dann wäre meiner ihr Vorbild gewesen.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass er Innovationen, vor allem technische, nie wirklich forciert, geschweige denn initiiert. Ist einfach nicht sein Thema, aber ist es bei Astrid Lindgren ja auch nicht. Seine Stellvertreterin, Kollegin B., ist seit Anfang des Schuljahres bei uns. Sie ist jung und dynamisch – böse Zungen sagen, unerfahren und hektisch. Ich finde sie nett, wundere mich aber über die Art, wie sie ihre Rolle ausfüllt. Bestimmt läuft viel im Verborgenen ab, aber ich verstehe ihren Job nicht so richtig.
Die heiligen Stunden- und Vertretungspläne
Ihr Vorgänger, der im Sommer völlig überraschend das Handtuch warf und nun Gedichte auf Rügen schreibt, mischte in allen Aufgabenfeldern mit, die auch der Schulleiter beackerte. Die waren ein eingespieltes Team und haben sich die Bälle zugespielt. Ich habe mal das Schulgesetz und die „Verwaltungsvorschrift über die einheitliche Gestaltung und Zuordnung von Aufgabenbereichen an öffentlichen Schulen des Landes Berlin“ studiert und kam zu dem Schluss, dass das auch so gedacht ist. Umso mehr fällt auf, dass Kollegin B. mit einem Stolz, den ich irritierend finde, immer nur über eines spricht: die Stunden- und Vertretungspläne. Klar, das muss gemacht werden, aber bei ihr klingt es so, als sei ihre Planung das Herzstück unserer Schule und sie so etwas wie die Herzschrittmacherin. Dabei ist ihre Planung alles andere als effektiv, geschweige denn innovativ:
Ihr dichtender Vorgänger wurde immer ein bisschen belächelt, weil er nicht viel von Updates hielt, noch mit Windows 95 arbeitete und der König der Zettelwirtschaft war. Kollegin B. jedenfalls geht nun noch einen Schritt zurück: Ihr Vertretungsplan ist komplett von Hand gemacht. Immerhin scannt sie ihn ein und lädt ihn hoch, sodass man ihn nicht nur im Lehrerzimmer einsehen kann. Na ja, vermutlich arbeitet sie sich zurzeit noch in das entsprechende PC-Programm ein und bald wird alles besser.
Der Schatten-Vertretungsplan
Im Herbst war ich mal nicht zufrieden mit meinen Vertretungsstunden. Weil ein Arzttermin anstand, hatte ich darum gebeten, meine Freistunden an einem Donnerstagmorgen freizuhalten. Dem war nicht entsprochen worden. Da hatte ich kurzerhand mit einer Kollegin Stunden hinter B.s Rücken getauscht: „Du nimmst Donnerstag meine zweite und dritte, dafür nehme ich deine dritte und vierte am Freitag.“ Im Laufe des Novembers institutionalisierte sich die Tauscherei und zwei weitere Kollegen machten mit. Wenn das so weiterginge, könnte man bald von einem Schatten-Vertretungsplan sprechen. Wird aber nicht passieren.
Letzten Freitag rief mich mein Schulleiter zu sich, er hatte von der Sache Wind bekommen und mir freundlich erklärt, warum das nicht in Ordnung sei. Er verriet mir dann außerdem, dass Frau B. einen Plan schmiede, der die Schule vollständig umkrempeln werde: digitales Klassenbuch, Tablets für alle neuen Klassen, keine Tafeln mehr, ein Ende der Zettelwirtschaft usw., usf. Das sei bis jetzt nur eine Vision, die Gremien würden noch informiert werden, aber er sei jedenfalls sehr froh, B. zu haben. Sie sei auf diesem Feld unheimlich kompetent und habe genau die Kontakte, die man für sowas bräuchte.
Zettelwirtschaft adé!
Ich verstehe zwar nicht, warum das so intransparent läuft und ich einen so selektiven Eindruck von Kollegin B. bekommen habe. Aber egal, ich freue mich. Wird nämlich höchste Zeit, die Zettelwirtschaft ist so unprofessionell, dass es schon schildbürgerliche Ausmaße hat. Manchmal dauert es Stunden, bis ich merke, dass ein Zettel in meinem Fach liegt, auf dem steht, ich solle DRINGEND zum Schulleiter kommen. Ganz so, als seien SMS, E-Mail und Co. noch nicht erfunden worden. Und wenn ich daran denke, dass jeder Lehrer und jede Lehrerin am Ende eines jeden Halb- und Schuljahres die Noten analog in Listen eintragen muss, um die sich das halbe Kollegium kurz vor den Zeugniskonferenzen drängelt, dann setze ich jetzt mal all meine Hoffnungen auf Frau B.
2018, ich habe große Erwartungen!
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