Bundesjugendspiele – die Olympischen Spiele der kleinen Leute
An der Schule von Maximilian Lämpel wurden in der letzten Woche die Bundesjugendspiele veranstaltet. Und weil Sportveranstaltungen ja gerade in aller Munde sind, lohnt eine genauere Betrachtung.
Die Sinnfrage
Als die Sportlehrerinnen und -lehrer vor Wochen bei einer Dienstberatung den Ablauf der diesjährigen Bundesjugendspiele erläuterten, rollten zahlreiche Lehrkräfte mit den Augen. Einige haben offensichtlich keine Lust, stundenlang Kindern beim Hüpfen in die Grube oder ähnlichen Verrichtungen zuzuschauen. Doch Gespräche über Sinn oder Unsinn solcher Veranstaltungen gab es im Vorfeld im Kollegium nicht. Irgendwie trotte(l)n da alle einfach mit, die meisten lustlos. Ich kann es ihnen nicht verübeln, bin ich da auch nur so mittelmäßig motiviert.
Weil ich mal wieder die Diskussionsfertigkeiten meiner 10b trainieren wollte, ließ ich sie über die Abschaffung der Bundesjugendspiele debattieren. Da gab es ja mal eine Petition, die sich zu einer Debatte aufgeschwungen hatte. Bisschen blöd, dass dem Fachbereich Sport zu Ohren kam, worüber ich meine Klasse diskutieren ließ. Das kam bei denen nicht so gut an. Es fehlte nicht viel und fast wäre ich der Blasphemie bezichtigt worden. Ich muss also anerkennen, dass die wirklich sympathischen Sportler und Sportlerinnen da bei uns ihre Sache mit heiligem Ernst und vollkommen ironiefrei betreiben.
Weißt-du-noch-Momente
Dabei kann man an so einem Sportfest wirklich einiges kritisieren. Die öffentliche Stigmatisierung der Unsportlichen ist da nur einer von vielen Aspekten. Ich muss trotzdem sagen, dass ich Bundesjugendspiele großartig finde. Als Idee zumindest. Frische Luft ist prima, mal alle zusammen raus aus der Schule sowieso und die meisten Schülerinnen und Schüler freuen sich richtig darauf. Aber vor allem bieten die Spiele Gelegenheit, etwas miteinander im Schulverbund zu erleben, mitzufiebern, sich vielleicht auch mal gemeinsam durchzubeißen. So was schweißt zusammen. Team Building at its best. Und dann ist das auch noch gesund. Außerdem kommt es jedes Jahr zu spektakulären, ja, geradezu heroischen Leistungen, die bestaunt und bejubelt werden. Wenn Kinder, die sich in anderen Fächern eher schwer tun, hier mal im Mittelpunkt stehen und sich bewundern lassen können, dann freut mich das sehr für sie. Aber auch Reinfälle oder Peinlichkeiten haben ihren Wert. Kollegin T. war vor zwei Jahren z. B. slapstickmäßig bei der Siegerehrung gestolpert, der Karton mit allen Urkunden fiel in eine riesige Pfütze. Es gab großes Gejohle im Publikum. Kurzum: Bei den Bundesjugendspielen werden zuverlässig Weißt-du-noch-Momente generiert. Das ist wertvoll für die Gemeinschaft und Balsam für die Schulseele. Davon kann man nicht genug haben. Und wenn ich sehe, wie aufgeregt vor allem die jüngeren Klassenstufen in der Woche vor dem Fest sind, immer und immer wieder Fragen zum Ablauf stellen und sich im Unterricht ausmalen, wie es so sein wird, dann fühle ich mich in meiner Wahrnehmung bestätigt.
Lehrergebaren
Trotzdem, da kann ich nix machen, kann ich das eine oder andere Gebaren auf dem Sportplatz nie ernst nehmen. Und ich muss sagen, dass es, wie so oft, nicht die Schülerinnen und Schüler sind, über die ich den Kopf schütteln muss, es sind Kolleginnen und Kollegen. Schülerinnen und Schüler haben Kopfschüttelschutz – das sind Kinder, die dürfen fast alles.
Letztes Jahr, ich war nicht dabei, hatte eine Kollegin mit detektivischem Scharfsinn zwei Oberstufenschüler des Betrugs überführt. Die hatten doch tatsächlich beim Weitsprung aus Versehen oder mit voller Absicht ganz falsch gemessen. Ogottogott, da war was los! Tja, und das ist der Grund, warum in diesem Jahr das Kollegium Zeiten und Weiten messen musste, sich durch Sandkisten wühlte und Bälle im Gebüsch suchte. Das fand der eine oder die andere unwürdig. Viel unangenehmer aber war, dass sich zwei Kollegen pausenlos vor Schülerinnen und Schülern stritten. Ums richtige Messen in der Weitsprunggrube. So und so gehe das, doch doch, nein nein, der Kollege habe ja offensichtlich nicht mal das Regelwerk überflogen. Da hätte man ja gleich wieder die Oberstufe ran lassen können! So ging das immer weiter.
Auch nicht besonders sympathisch, dass sich Kollege T. permanent schamlos am Buffet bediente, das Eltern ausschließlich für die sporttreibenden Kinder vorbereitet hatten. Dabei erzählte er eine ach so sportliche Heldentat aus seiner Jugend nach der anderen, kaum auszuhalten.
Den Vogel bzw. den Florian schoss aber Kollege P. ab, wenn auch unabsichtlich. Für die Pausen hatte sich der Fachbereich Sport dieses Jahr alle möglichen Spiele ausgedacht, u. a. war eine Torwand aufgebaut worden. Und weil Kollege P. auch mal wollte und das nicht so gut konnte, schoss er dem kleinen Florian den Ball an den Kopf. Leider wirklich doll und der Umstand, dass Florian eine beeindruckende Zahnspange trägt, machte es nicht besser. Er musste von seinen Eltern abgeholt werden. Zum Glück war der Schreck größer als der Schaden und Kollege P. schämte sich angemessen. Wieder ein neuer Weißt-du-noch-Moment.
Präsident
Als dann alles vorbei war und die Schülermassen sich Richtung U-Bahn schlängelten, hörte ich, wie ein paar Fünfklässler den Tag Revue passieren ließen, voller Glück und Stolz. Da war mir wieder klar, dass sich das alles gelohnt hatte. Hauptsache, die Kinder sind happy.
Ein paar Tage später, die Siegerehrung hatte an diesem Tag stattgefunden, stand ich nach Unterrichtsschluss vor der Schule. Max aus der 5a wurde von seiner Mutter abgeholt. Freudestrahlend hielt er ihr seine vom Bundespräsidenten unterschriebene Urkunde entgegen und rief: „Und guck mal, sogar mit Autogramm von Reichspräsidenten!“
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