Am Rande der Erschöpfung: Wenn der Lehrberuf mal zu viel wird

Es gibt Momente in ihrem Lehrerinnenleben, da wird es Frau mit Klasse einfach zu viel: Die Eltern, die Schüler*innen, aber auch die Bürokratie wachsen ihr über den Kopf. Dann will sie einfach nur ihre Ruhe. Gedanken zur Überlastung von Lehrkräften.

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Dass Frau mit Klasse oft mit Vorurteilen hinsichtlich ihres Berufes in Berührung kommt, hat sie bereits berichtet. Jetzt gibt sie einen tieferen Einblick in ihren Berufsalltag und will sich ein bisschen was von der Seele reden.

Die lieben Eltern

Als ich noch an der Regelschule arbeitete, bin ich mit vielen unterschiedlichen Eltern in Kontakt gekommen. Und doch hatten sie einige grundlegende Gemeinsamkeiten:

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  • Sie waren bemüht um ihre Kinder.
  • Sie haben mir als Lehrerin Wertschätzung entgegengebracht.
  • Wir haben zusammengearbeitet.

Natürlich ist dies keine grundlegende Annahme an einer Regelschule, aber ich merke einen Unterschied zu meiner Arbeit an der Sonderschule. Auch hier gibt es zuvorkommende, nette Eltern und Lichtblicke – so ist es nicht. Es entstehen aber häufig auch Situationen, die mich zum Nachdenken bringen:

  • Wenn sich z. B. niemand als Elternvertreter oder Elternvertreterin findet.
  • Wenn Eltern genervt sind, weil ich sie schon wieder anrufe, um über ihr Kind zu reden.
  • Wenn Eltern mir vorwurfsvolle Nachrichten schreiben, obwohl ich Tag für Tag bemüht bin, mein Bestes zu geben.

„Kinder großzuziehen, ist wie ein Spaziergang im Park – im Jurassic Park“

Doch nicht nur die Arbeit mit Eltern kann belastend sein. Es gibt Klassen, in die ich einfach nicht besonders gern gehe. Einige Lehrerinnen und Lehrer kennen das bestimmt auch. Eine meiner Klassen betrete ich nur mit Oropax. Ihr habt leider richtig gelesen: „Frau mit Klasse, du hast da was im Ohr“, wurde ich schon mal von einem Kind in dieser Klasse angesprochen. „Ja, fragt euch mal, warum“.

Natürlich gibt es Gründe dafür, dass in diesen Klassen permanent geredet wird. Oder dafür, dass ein Kind ohne zu fragen durch die Klasse läuft. Oder ich als Lehrerin keinen Satz vernünftig beenden kann. Ich kenne diese Gründe und weiß, wie ich darauf zu reagieren habe. Aber das ist nicht immer leicht. Am Ende bin ich auch nur ein Mensch mit Gefühlen. Meine Schüler*innen meinen es mit diesem Verhalten nicht böse, das ist mir bewusst. Ich finde sogar, dass wir ein recht gutes Verhältnis haben – eins, das auf Vertrauen basiert. Und dennoch ist es manchmal einfach sehr viel für mich. Weil ich nicht nur Lehrerin bin. Ich höre zu, erziehe, berate, motiviere, schlichte Streit, habe eine Vorbildfunktion und vieles mehr. Nicht selten geschieht es, dass ich einen Schüler*innen-Konflikt klären muss, während andere Kinder mir lachend ihre Sticker-Sammlung zeigen wollen. Dann fühle ich mich wie im falschen Film.

Um beim Klischee zu bleiben, dass Lehrkräfte vormittags Recht und nachmittags frei hätten: Ich komme zwar eher nach Hause als manch andere Arbeitstätige, aber brauche ehrlich gesagt auch erst einmal Zeit für mich, bis mir nicht mehr die Ohren von den Kinderstimmen klingeln und ich mich selbst heruntergefahren habe. Das gelingt mir nicht jeden Tag gleich gut.

Lehrerin oder Bürokratiegenie?

„Was musst du denn noch vorbereiten? Geh doch einfach rein und erzähl denen was oder schau einen Film.“ – Jaja, solche Sprüche habe ich schon gehört. Doch fülle ich so keine sieben Stunden Unterricht bzw. will ich das auch gar nicht. Und das eigentliche Problem ist: Die Unterrichtsvorbereitung ist häufig nur ein kleiner Teil meines Jobs. Neben der eigentlichen pädagogischen Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen gesellen sich Elternarbeit, Konferenzen und vor allem administrative Aufgaben hinzu. Ich habe diesen Text an einem Sonntag geschrieben, nachdem ich schon sechs Stunden am Schreibtisch verbrachte. In der vergangenen Woche war ich jeden Tag mindestens zwei oder drei Stunden länger in der Schule. Versteht mich nicht falsch, es soll hier nicht um eine Beschwerde gehen. Mehrarbeit gehört im Lehrberuf dazu und ich freue mich, wenn ich meine Aufgaben gründlich und angemessen erledigt habe. Besonders jetzt, da die Zeugnisse vor der Tür stehen. Und auch andere Menschen schieben genügend Überstunden, das steht außer Frage. Ich möchte nur gerne für die Menschen, die zu wissen glauben, wie der Hase läuft, ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern.

Zu diesen administrativen Aufgaben, die neben der eigentlichen Unterrichtszeit anfallen, gehören wichtige Anträge, seitenlange Vergleichsarbeiten, die Dokumentation der Lernentwicklung jedes*r Schüler*in sowie die Benotung und Korrektur aller Arbeiten. Außerdem liste ich Unterrichtsnachweise auf, studiere Lehrpläne und verfasse neue Curricula, fördere Schüler*innen differenziert, organisiere Schulveranstaltungen und noch vieles mehr. Und für mich ist es besonders wichtig, alles im Blick zu behalten, während ich gleichzeitig für die Kinder da bin und ihnen etwas für das Leben beibringe. Denn deshalb bin ich doch vor allem Lehrerin geworden – und nicht für die Verwaltungsaufgaben.

Sich auch Schwäche eingestehen

All diese oben aufgeführten Punkte – die Eltern, die Kids und die Bürokratie – in Kombination mit meiner Arbeit an einer Sonderschule haben vor kurzem dazu geführt, dass mein Körper mir verdeutlicht hat, dass ich nicht immer hundert Prozent geben kann. Ich muss auch auf mich achten und mir ein wenig Ruhe gönnen bei der Verantwortung, die ich Tag für Tag trage. Und wenn das nur meint, einen Kaffee mit einer guten Freundin zu trinken oder die Liebsten nach der Arbeit zu drücken. Denn nur, wenn ich beides kann – alles geben und abschalten – kann dieser Job gut funktionieren. Lehrerinnen und Lehrer sind besonders von Burn-Out betroffen und um ehrlich zu sein, wundert es mich leider nicht.

Vorsatz für 2020: Wenn’s geht – Fünfe gerade sein lassen

Ich habe mir also für das neue Jahr vorgenommen, meinen Job gut zu machen, aber nicht mehr alles so ernst zu nehmen. Und so freue ich mich schon unglaublich auf die Ferien. Natürlich ist dies ein Privileg meines Jobs. Ich werde meine freie Zeit nutzen, um meinen Kopf freizubekommen. Doch auch dies gelingt aufgrund des Arbeitsumfangs nicht immer, aber es ist so wichtig.

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Titelbild: © niklas_hamann/Unsplash