Eis zum Frühstück? – Ein Plädoyer fürs Naschen
Ohne strenge Regeln futtern Kinder den ganzen Tag lang Süßes? Stimmt nicht, meint Christine von Mama arbeitet. Sie hat das im Langzeitexperiment getestet.
Ich weiß, dass Sie mir das nicht glauben werden, aber bei uns liegt noch eine große Tüte mit Schokoladenostereiern herum. Und zwar nicht irgendwo versteckt in der hintersten Ecke des Schranks oder beim Waschmittel. Sie liegt mitten im Flur in unserem Weidenkorb, in dem ich Dinge zwischenlagere. Meine Kinder wissen, dass diese Tüte dort liegt – seit Monaten.
Heimliches Naschen kommt mir falsch vor
Absurd, meinen Sie? Die Schokolade wäre bei Ihnen sofort weg gewesen? Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Denn wenn etwas jederzeit verfügbar ist, dann sinkt der Reiz, sich sofort und hemmungslos daran zu bedienen. Das klingt nach Erziehung völlig ohne Sinn und Verstand? Sie mögen denken: „Aber es muss doch Regeln geben! Zuerst etwas Gesundes essen und dann die Süßigkeit! Und auf keinen Fall vor dem Abendessen!“ So oder so ähnlich regeln viele Familien den Umgang mit Süßem. Ich nicht. Und ich habe gute Erfahrungen damit gemacht. Beweis dafür sind die ignorierten Schokoladenostereier.
Ich habe auch noch nie heimlich Süßigkeiten gegessen, um den Kindern zu verheimlichen, dass ich nasche. Bei mir gibt es solche Versteckspiele nicht. Das fände ich nicht nur albern, sondern falsch. Wie sollen denn Kinder lernen, dass auch Erwachsene mal Gelüste haben und Maßhalten trotzdem möglich ist? Wenn ich Hunger auf Schokolade habe, dann esse ich welche. Das ist viel besser, als mir das zu verkneifen, bis ich meinen Appetit nicht mehr steuern kann.
Eis zum Frühstück? Von mir aus!
Das funktioniert übrigens nicht nur bei Schokolade so. Es gilt eigentlich für alle Lebensbereiche. Wenn ich Heißhunger auf Gummibärchen und Co bekomme, gebe ich dem nach. Die Uhrzeit ist mir dabei herzlich egal. Und genauso halte ich es bei meinen Kindern. Im Sommer Eis zum Frühstück? Bitteschön, wenn sie Lust drauf haben. Das ist auch nicht ungesünder als das gesüßte Frühstücksflockenzeug, das sie sonst zu sich nehmen.
Wer ständig rationieren muss, lechzt nach Süßigkeiten
Meine Art mit dem Essen umzugehen, macht zwar glücklich, sorgt aber auch dafür, dass andere Eltern und Nachbarn einen für unzurechnungsfähig halten. Das muss man aushalten können. Genau dieselben Personenkreise erblassen jedoch vor Neid, wenn man ihnen erzählt, dass die eigenen Kinder sich nicht besonders für Süßigkeiten interessieren. Andere Nachbarskinder sitzen mit großen bettelnden Kulleraugen bei Familien, deren Süßigkeitenschublade gut gefüllt ist. Wie doof muss es sein, wenn man ständig nach Schokolade lechzt und sich im Moment der Erfüllung den Bauch so vollschlägt, bis er wehtut.
Elternhäuser prägen
Vor allem möchten wir doch, dass unsere Kinder später eigenverantwortlich und vernünftig mit Gelüsten rund um Süßes umgehen können. Wann sollen sie das lernen, wenn nicht im Elternhaus?
Meine eigenen Eltern haben das übrigens auch so gehalten. Die Süßigkeiten-Schublade war auf Wadenhöhe, gut erreichbar für uns Kinder. Und eigentlich haben wir Geschwister uns mehr für den frischen Aufschnitt und den leckeren Käse im Kühlschrank interessiert – der war nämlich rationiert. So kann Prägung offensichtlich auch gehen.
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