Fachfremd unterrichten als Normalität?

Ausschließlich seine studierten Fächer zu unterrichten, ist in der heutigen Zeit eine Seltenheit. Das kommt vielleicht am ehesten noch am Gymnasium vor, doch an vielen anderen Schulformen ist es angebracht, flexibel zu sein. Frau mit Klasse berichtet und gibt 3 Tipps.

So klappt's mit dem Lernen – jetzt im Video anschauen!

„Wir können Sie gerne einsetzen, aber nicht in Ihren Fächern“

Die letzten Monate haben mich sehr zum Nachdenken angeregt. So habe ich mich beruflich reflektiert und festgestellt, dass ich an meiner aktuellen Schule leider nicht mehr glücklich bin. So steht nach den Sommerferien ein erneuter Wechsel an, auf den ich mich sehr freue. Auf der Suche nach einer neuen Schule, führte ich ein Telefonat, was so ähnlich ablief: „Welche Fächer unterrichten Sie denn?“, wurde ich gefragt. Ich benannte diese daraufhin. „Ah, ich würde Sie aber lieber für Ethik einsetzen. Und Sie haben auch sonderpädagogische Erfahrungen? Das ist ja super! Dann können wir Sie schon irgendwie einplanen.“ Dieses Telefonat hinterließ leider nicht das erwünschte Gefühl bei mir. Die Schule gefiel mir, doch nur genommen zu werden, um den Fokus auf das zu legen, was ich ursprünglich nicht gelernt habe, ist auch nicht Sinn der Sache. So suchte ich weiter und wurde glücklicherweise fündig.

„Haben Sie denn ein Neigungsfach?“

Auch im Gespräch an der Schule, auf die schlussendlich meine Wahl fiel, wurde ich nach einem Neigungsfach gefragt. Hier lief das aber viel angenehmer ab. So liegt der Fokus zukünftig auf meinen Fächern. An Ethik war auch Interesse vorhanden, glücklicherweise dann aber nur in meiner eigenen, zukünftigen Klasse. Es ist natürlich eine Herausforderung, ein fremdes Fach zu lehren. Doch auch für mich ergibt sich dadurch ja ein Lerneffekt. Es ist auch sinnvoller, wenn man nach einem Neigungsfach gefragt wird und ein gewisses Mitbestimmungsrecht hat, als wenn man etwas zugewiesen bekommt. Doch auch das scheint im System Schule nicht selten zu sein.

Gratis Zugang für Lehrkräfte
Jetzt informieren

Unterricht in studierten Fächern als Seltenheit

Häufig höre ich von meinen Freund*innen, die auch als Lehrkräfte tätig sind, dass sie neben ihren eigentlichen Fächern weitere fachfremd unterrichten. Am Gymnasium höre ich das selten – was erklärt, warum man da auch nur schwer eine Stelle bekommt. Doch neben dem Gymnasium existieren viele weitere Schulformen: Ich hörte bereits von fachfremdem Unterricht an Grundschulen, Integrierten Sekundarschulen und Sonderschulen. Ich selbst habe in den vergangenen Monaten einige Fächer unterrichtet, zu denen ich vorher als Lehrerin keinen Zugang hatte. Doch der Fachlehrermangel ist präsent und setzt voraus, dass man als Lehrer*in flexibel ist und ins kalte Wasser springt. Das kann, wie erwähnt, eine Chance sein, etwas dazuzulernen. Es kann aber bei Lehrkräften auch Zweifel auslösen. Immerhin werden für die jungen Menschen vor allem in den Hauptfächern wichtige Grundsteine gelegt. Wenn man dann als Deutschlehrer*in plötzlich Mathematik unterrichten muss, kann man schon unsicher werden. Ich frage mich manchmal, was die Eltern dazu sagen würden, wenn sie wüssten, wie oft ihre Kinder fachfremden Unterricht erhalten. Und selbst Quereinsteiger*innen werden da gern mal in den Löwenkäfig geworfen. Ein Neurologe bzw. eine Neurologin findet sich ja auch nicht plötzlich in der Zahnmedizin wieder. Doch ich möchte nicht alles schwarzmalen. Überlegen wir doch lieber, was wir für Möglichkeiten haben, die Sache gut über die Bühne zu bringen.

Tipp 1: Schulbuchverlage und Online-Portale besuchen

Es gibt in Berlin (und woanders mit Sicherheit auch) wirklich tolle Schulbuchverlage und Online-Portale. Einen Besuch – online und offline – kann man definitiv empfehlen. Viele Lösungen bieten didaktisch sehr gut aufbereitetes Unterrichtsmaterial an. Dieses ist meist verständlich und didaktisch reduziert, so dass man sich auch in ein fremdes Fach gut einarbeiten kann. Und auch hinsichtlich der eigenen Fächer verlässt man die Verlage und Portale selten mit leeren Händen.

Tipp 2: YouTube-Kanäle mit gehaltvollen Lernvideos

Neben den offiziellen Lernportalen erhält man auch bei einigen YouTube-Kanälen guten Input, sowohl als Lehrende als auch als Lernende. Mr Wissen2go erklärt z. B. sehr anschaulich und verständlich historische Themen prägnant für die Allgemeinheit. Sommers Weltliteratur fasst Dramen und Romane der Weltliteratur unterhaltsam und einprägsam mithilfe von Playmobil-Figuren zusammen. Das lohnt sich definitiv. So sei auch auf maiLab verwiesen: Hier werden junge Menschen für Naturwissenschaften begeistert. Es sei erwähnt, dass ich nur von meinen eigenen Erfahrungen berichte und nicht für irgendeine Empfehlung bezahlt werde.

Tipp 3: Unterrichtsportale als Orientierung

Neben Portalen mit Lernvideos gibt es auch eine Vielzahl von Unterrichtsportalen. Verlage oder Lehrer*innen laden hier Unterrichtsmaterial hoch, auf das man zugreifen kann. Das finde ich toll, hilft man sich doch in gewisser Weise gegenseitig. Natürlich ist es immer empfehlenswert, das Material zu sichten und bei Bedarf für die jeweilige Lerngruppe anzupassen oder zu ändern. Aber gerade für  Fächer, die man nicht studiert hat, kann man sich hier gute Unterstützung holen. Es gibt sowohl Arbeitsblätter als auch fertige Sequenzpläne oder sogar komplette Unterrichtseinheiten. Ich verweise, um einen Einblick zu geben, auf meinUnterricht, 4teachers oder RAABE. Auch sofatutor bietet Arbeitsblätter und Klassenarbeiten an, mit denen Lehrkräfte arbeiten können. 

Wenn alles nicht hilft?

Dann helfen einem mit Sicherheit auch gerne nette Kolleg+innen, die in den entsprechenden Fächern unterrichten. Materialaustausch und Gespräche sind tatsächlich Gold wert. Ich habe dieses Schuljahr fachfremd ein Hauptfach unterrichtet und das komplett aufbereitete Material meiner Kollegin bekommen, was eine total tolle Unterstützung war. Außerdem wichtig: 

  1. Ruhe bewahren, 
  2. sich ausführlich in die Themen einlesen, 
  3. Fachbegriffe nochmal nachlesen, 
  4. selbst etwas nachrechnen und ausprobieren 

Und dann wird das schon alles. Man sollte sich vor der Klasse oder dem Kurs aber kompetent, sicher und gut vorbereitet präsentieren, sonst das merken auch die Schüler*innen. Schlussendlich plädiere ich dennoch dafür, dass Lehrer*innen vor allem in ihren eigenen Fächern unterrichten sollten. Denn dafür wurden wir immerhin jahrelang ausgebildet und haben diese nicht umsonst gewählt. Doch entscheiden wir das am Ende leider wieder nicht allein und der Fachkräftemangel ist – und das kann man nicht leugnen – akut. Machen wir also das Beste daraus.

Weitere Beiträge von Frau mit Klasse:

Titelbild: © Krakenimages.com/shutterstock.com