Zweisprachigkeit bei Kindern – bringt das was?

Bilinguale Erziehung hat einen guten Ruf – aber die Voraussetzungen müssen stimmen. Die zweite Sprache darf nämlich keine Fremdsprache sein. Klingt paradox? Mama Christine ist Sprachwissenschaftlerin und klärt auf, worauf es dabei ankommt.

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Was war ich neidisch auf meinen Schulfreund Walid! Während ich alle Vokabeln mühevoll lernen und oft mit der französischen Grammatik kämpfen musste, plauderte er im Französischunterricht einfach locker drauflos. Sein Vater stammte aus Algerien, weswegen er zweisprachig aufwuchs. „Bilinguale Erziehung“ hätte man das damals wohl kaum genannt. Es war einfach ein natürliches Arrangement: Walids Vater sprach mit seinen Kindern ausschließlich auf Französisch und die in Ostdeutschland geborene Mutter kommunizierte auf Deutsch mit ihnen.

Macht zweisprachig aufzuwachsen klug?

Zweisprachig aufzuwachsen mache klug, liest man gelegentlich. Und manchmal liest man auch das Gegenteil: Dass es nämlich die Kinder überfordere und zu Problemen bei der Sprachentwicklung führe. Tatsächlich trifft beides zu. Aber das Problem dabei sind gar nicht die verschiedenen Sprachen. Stattdessen entsteht die Verwirrung dann, wenn die bilinguale Erziehung nicht konsequent gelebt wird.

Warum ich mit meinen Kindern auf keinen Fall Englisch zu Hause reden wollte

Als ich selbst Mutter wurde, hatte mein Ex-Mann auch kurz die Idee, dass es doch genial für unsere Tochter wäre, zweisprachig aufzuwachsen. Da mein Englisch durch das Studium und längere Auslandsaufenthalte sehr gut war, wollte er mir die Verantwortung dafür übertragen. Zum Glück hatte ich in England einen Kurs zum Thema „Second Language Acquisition“ belegt. Daher wusste ich, dass Kinder nur dann zwei Sprachen gut verarbeiten können, wenn ein Elternteil durchgängig nur die eine Sprache mit dem Kind spricht.

Deswegen konnte ich an dieser Stelle nicht nur meinem Bauchgefühl folgen, sondern auch wissenschaftlich untermauern, dass wir das lieber lassen sollten. Es wäre bindungstechnisch schwierig geworden, wenn ich als Elternteil in einer Sprache, die nicht meine Muttersprache ist, z. B. Kinderlieder zur Nacht gesungen hätte oder meine Kinder getröstet hätte.

Sogar drei Sprachen meistern Kinder – ihre Gehirne vollbringen Höchstleistungen

Authentisch und konsistent muss die bilinguale bzw. multilinguale Erziehung sein, damit sie gelingt. So wie z. B. bei meiner Nachbarfamilie. Deren zehnjähriger Sohn wächst in einem dreisprachigen Haushalt auf: Seine Mutter stammt aus der Slowakei, der Vater aus Syrien. Der Junge spricht, neben Slowakisch und Arabisch, durch seine Sozialisierung in Kita, Schule und unserer Nachbarschaft, auch akzentfreies Deutsch.

Kindergehirne sind unheimlich flexibel, das wusste ich auch von Emina, die im Alter von sechs Jahren aus Australien in die erste Klasse zu meiner großen Tochter gekommen war, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen. Ein Jahr später war ihr Deutsch so gut, dass man hätte meinen können, sie hätte niemals woanders als in Konstanz gelebt.

Zweisprachigkeit darf man nicht erzwingen

Meiner Erfahrung nach und anhand dessen, was ich aus meinem Studium der Linguistik noch weiß, würde ich die Zweisprachigkeit bei Kindern nicht erzwingen. Wenn ein Elternteil mit seinem Kind in der Muttersprache spricht, dann ist das wunderbar und wird mit ziemlicher Sicherheit dazu führen, dass das Kind beide Sprachen fließend spricht. Soll das Kind diese Sprache aber vollends beherrschen, gehört z. B. bei Arabisch, wegen des anderen Alphabets, natürlich auch noch der schriftliche Sprachgebrauch dazu. Und selbst bei Französisch sollten Eltern den Anteil des geschriebenen Wortes nicht unterschätzen: Mein Klassenkamerad Walid hatte nämlich tatsächlich nur ein Problem im Französischunterricht – die Orthografie.

Nur aufgrund der Annahme, dass Kinder durch Zweisprachigkeit später bessere Chancen im Leben hätten, sollte man eine bilinguale Erziehung also nicht auf Teufel komm raus durchsetzen. Denn auch wenn Kinder sehr schnell lernen, kann Zweisprachigkeit in einem künstlichen Setting Probleme schaffen. In diesem Sinne: Take care!

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Titelbild: ©SUKJAI PHOTO/shutterstock.com

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